Queeres Leben gilt jetzt in Russland als Extremismus

Ende November hat in Russland der Oberste Gerichtshof die «internationale LGBT-Bewegung» als extremistisch eingestuft und ihr jegliche Aktivitäten verboten. Dieses Urteil trat letzte Woche in Kraft. Beschuldigten drohen nun Strafverfahren, die offenbar bis zu zwölf Jahren Gefängnis vorsehen. Bereits unmittelbar nach Verkündung des Gesetzes kam es zu ersten Razzien in der Community.

Seit rund zehn Jahren wird in Russland Schritt für Schritt sexuelle und geschlechtliche Vielfalt kriminalisiert. Die Einstufung «extremistische Organisation und Bewegung» schafft nun die Grundlage für eine willkürliche staatliche Verfolgung von queeren Personen und deren Unterstützer*innen. Das Urteil trifft nicht nur die Mitglieder von queeren Organisationen, Aktivist*innen und Journalist*innen, sondern auch Personen, die Teil der queeren Community sind, mit dieser sympathisieren oder als queer gelesen werden.

Deutliche Worte brauchten in Deutschland der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) und Quarteera (Verein russischsprachiger LGBTQ+ Migrant*innen). In einer gemeinsamen Mitteilung schrieben die beiden Organisationen: «Dieses Urteil ist eine menschenrechtliche Bankrotterklärung, da es eine strafrechtliche Verfolgung von Einzelpersonen ermöglicht – aufgrund ihrer (vermeintlichen) Zugehörigkeit». Gemeinsam fordern sie zudem die Bundesregierung dazu auf, verfolgte und besonders schutzbedürftige Queers aus Russland aufzunehmen.

Intervention des EDA?

In der Schweiz ist network mit in Russland tätigen queeren Organisationen in Kontakt. Auf ihrer Webseite schreibt network, dass die queeren Organisationen nun vor allem «Zeit und Ressourcen» benötigen würden, um neue Strategien entwickeln zu können. «Die Organisationen in Russland haben zudem einen Zufluchtsort für Aktivist*innen in Montenegro sowie einen weiteren in Armenien eingerichtet», schreibt network weiter.

«Wir verfolgen die aktuelle Entwicklung in Russland genau», versichert Peter Christen von der Politischen Kommission (PoKo) von network. Doch wie können wir hier der Schweiz – wie kann network – der Community in Russland konkret helfen? «Unser Einsatz bei network besteht darin, die Situation zu verfolgen und ausgewählte Organisationen vor Ort ideell und materiell zu unterstützen», sagt Peter Christen. «Damit können wir die Frontarbeit dieser Organisationen in ihrem jeweiligen Bereich verstärken oder überhaupt erst ermöglichen.»

Zudem suche man das Gespräch mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Schwierig sei dabei nicht die Kontaktaufnahme selbst, sondern dass das EDA offiziell Stellung beziehe. «Wir mussten in einem früheren Gespräch feststellen, dass sich das EDA nur in Ausnahmefällen öffentlich äussert», so Peter Christen. Das heisse aber nicht, dass es nicht auf dem politischen Parkett hinter den Kulissen interveniere.

Die PoKo mache sich jedoch keine Illusionen: «Russland wird seine Politik gegenüber der LGBTI-Bewegung und anderen Minderheiten auch im Falle einer Intervention des EDA wohl kaum ändern.»

One Reply to “Queeres Leben gilt jetzt in Russland als Extremismus”

  1. Passt ausgezeichnet in meine aktuelle Lektüre:
    Das Tschaikowsky Tribunal (Dominique Fernandez, deutsch: Gustav Lübbe Verlag, 1999)
    Übrigens: Es gäbe ja auch noch die
    https://www.rainbowrailroad.org/
    um physisch und psychisch bedrohten LGBTIQ-Menschen hilft, einen sicheren Aufenthaltsort zu finden.

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