Sonntagskolumne: Fragen, viele Fragen!

Die Pride am 12. August durch St. Gallen verlief grundsätzlich friedlich. Und die Stadtpräsidentin sagte stolz: «Ich bin dankbar, hat die Stadt endlich ihre erste Pride bekommen».

Klar, eine Pride immer auch eine politische Demonstration. So machten sich die rund 2500 Teilnehmenden an der Pride in St. Gallen für die Rechte queerer Menschen und gegen deren Diskriminierung stark. Für die Junge SVP war dies allerdings «reinste Propaganda und durch und durch dekadent». Der Beweis dazu sollte ein Video mit Interviews mit Pride-Teilnehmenden erbringen.

Doch in diesem schrecklichen Video führt die Junge SVP bewusst Menschen vor, macht sich über sie lustig, zieht sie ins Lächerliche und bezeichnet sie sogar als krank. Das ist nichts anderes als bösartig und menschenverachtend! Und damit trägt die SVP eine immense Mitverantwortung an der Verbreitung von Gewalt.

Andi Giger ist Co-Präsident des Vereins St. Gallen Pride. Gegenüber dem St. Galler Tagblatt sagte er, dass im Umzug «Fuck SVP» skandiert wurde, was aber notabene daher kam, dass «rechte Parteien in den letzten Monaten heftig gegen queere Menschen gehetzt» hätten. Er habe zudem damit gerechnet, dass die Pride bei der SVP für Aufruhr sorgen würde: «Mit Stimmung gegen Queere lässt sich heute gut Wahlkampf machen».

Andreas Glarner ist SVP-Nationalrat. Er schreibt auf X (vormals Twitter) an alle «LGBTQI* und weiss Gott noch was für Geschlechter, Neigungen und Verwirrungen»: «Es war mir bisher egal, ob sie schwul, lesbisch oder transsexuell sind … bis sie angefangen haben, daraus Vorteile ableiten zu wollen».

Wahlkampfauftakt der SVP vor einer Woche: Nils Fiechter, SVP’ler aus dem Berner Simmental, schreit ins Publikum: «Sie wollen uns vorschreiben, wie wir zu sprechen, wie wir zu leben und wir zu denken haben». Er heult von einem «Krieg um unsere Kultur» und von einem «Frontalangriff auf unser Identität».

Ich bin bereits seit endlichen Jahren dem queeren Aktivismus verfallen – und kann mich nicht erinnern, dass wir für Vorteile kämpften. Stattdessen war unser Ziel, die gleichen Rechte zu erhalten. Ein gleiches Schutzalter im Sexualstrafrecht, gleiche Chancen im Berufsleben, das Recht auf die zivile Ehe.

Und heute? Warum sind Konversionsbehandlungen noch nicht verboten? Warum werden Hate Crime an queeren Personen nicht energisch bekämpft? Warum schützt die sogenannte Rassismus-Strafnorm nicht vor Diskriminierungen aufgrund der Geschlechtsidentität? Warum werden nichtbinäre Personen in der Sprache unsichtbar gemacht? Warum gibt es nebst «männlich» und «weiblich» keine dritte Option? Warum gibt es keine rechtliche Absicherung, wenn verheiratete Frauenpaare auf eine private Samenspende zurückgreifen? Warum ist die Zwangsoperation an intergeschlechtlichen Kindern nicht ausdrücklich verboten? Warum gibt es im Gesundheitsbereich keine Ausbildung und Sensibilisierung zu queeren Sexualitäten und Identitäten? Warum ist eine queere Identität kein Asylgrund?

Sind diese Forderungen legitim? Oder müssen wir tatsächlich befürchten, dass unsere Forderungen «dermassen im Fokus stehen und deswegen die Bevölkerung derer überflüssig wird», wie neulich auf Facebook ein schwuler Mann feststellte?

Fragen über Fragen, die jemensch für sich selber beantworten muss! Für mich ist dabei klar: Dagegenhalten. Abstimmen. Wählen. Und die rechten Auswüchse auf keinen Fall als «Kasperlitheater» abtun.

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