Sonntagskolumne: Ganz mein Humor!

Wie haben sie geheult, als während den EuroGames und der BernPride eine ganze Woche lang in der Berner Altstadt unsere Fahnen hing. Und ich bin sicher: Hätten sie gewusst, dass die passende Hymne zur Regenbogenfahne «We Are Family» von Sister Sledge aus dem Jahr 1979 ist, hätten sie für den Wahlkampfsong «Das isch d’SVP» nicht ausgerechnet bei diesem Song abgekupfert.

Der Blick auf die mit Regenbogenfahnen geschmückte Berner Altstadt sei ein «Blick in den Abgrund und in eine dekadente Zukunft», in der «die Psychiatrien überfüllt, der Wohlstand dahin und die freie Meinungsäusserung ein Relikt aus besseren Zeiten» seien. Oder ein schwuler Mann schreibt auf X (vormals Twitter): «Ich bin früher auch für gleiche Rechte an die Pride, aber sicher nicht, dass jetzt Männer Misswahlen gewinnen». Eigentlich mag ich all diesen Hass, der da wegen dieser schmucken Farbenpracht aufkam, gar nicht mehr wiederholen.

Im Video zum Wahlkampfsong der SVP heizt Thomas Matter als «DJ Tommy» – er verantwortet den Song – den SVP-Grössen ein. Diese bewegen sich dann folgsam im Takt und immer brav im Gleichschritt nach rechts – passend zum Liedtext «Kein Schritt links und zweimal rechts» – darunter etwa Bundesrat Albert Rösti, Andreas Glarner und Magdalena Martullo-Blocher. «Wir wollen lieber tanzen, als uns auf die Strasse kleben», sagt DJ Tommy alias Nationalrat Matter in der Tageszeitung «Blick» trotzig.

Doch bereits kurz nach der Veröffentlichung von Song und Video hatte sich ausgetanzt: YouTube sperrte das Video «wegen Urheberrechtsverletzung». Und auch der Komponist Nile Rodgers hat sich in der Zwischenzeit via X gemeldet und betont, dass er «We Are Family» als «ultimativen Song über Inklusion und Vielfalt auf allen Ebenen geschrieben, unabhängig von Rasse, ethnischer Zugehörigkeit, Alter, Geschlecht, Religion oder sexueller Orientierung». Und weiter schreibt er: «Ich verurteile seine Verwendung durch die SVP oder anderen Personen, die sich nicht an die Werte des Liedes und aller anständigen Menschen halten».

Und während die SVP auf die Sperrung sauer reagiert und behauptet, den Song selbst komponiert zu haben und politische Motive hinter der Sperrung vermutet, gucke ich mir das Parteiprogramm der SVP an. Und da lese ich etwa, dass sich die Partei dafür einsetze, «dass unsere Kinder und Jugendlichen vor Gender-Terror und den Einflussversuchen der trans Community geschützt bleiben».

Und auf X lese ich von SVP-Nationalrat Andreas Glarner folgende Absonderlichkeit: «Es war mir bisher egal, ob sie schwul, lesbisch oder transsexuell sind … bis sie angefangen haben, daraus Vorteile ableiten zu wollen». Was für Vorteile? Wir wollen aber eigentlich nicht nur Vorteile, sondern die volle Staatsgewalt. Für den Umsturz wurde bereits eine Armee aus queeren Personen aufgestellt, die pinke Uniformen mit glitzernden Pailletten trägt. Denn auf dem Boden der Tatsachen lieg eindeutig zu wenig Glitzer. 

Ganz mein Humor: Bei Musiker*innen of Color einen Song stehlen, der im Verlaufe der Zeit zur queeren Hymne geworden ist und gleichzeitig gegen eine Gruppe von Menschen hetzen.

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