Sonntagskolumne: Ein haarsträubendes Interview, ein Leser*innen-Brief und ein Gender-Tag

In der letzten Woche ist in der Jungfrau Zeitung ein zweiteiliges Interview mit falschen und schlicht irreführenden Aussagen veröffentlicht worden. 

So wird etwa behauptet, dass «trans Frauen, als ehemalige Männer, nun im Frauensport für Furore sorgen, weil sie oft alle Preise gewinnen». Tatsächlich sind es allerdings nur gerade vier Personen, die in den letzten Jahren deshalb für Schlagzeilen sorgten. Ich verlinke die beide Artikel absichtlich nicht – damit nicht noch mehr klickst generiert werden. Wer sie trotzdem lesen will, findet sie im Web problemlos.

In meiner Funktion als Vizepräsident habe ich im Namen von hab queer bern mit einem Leser*innen-Brief reagiert. Ausschnitte:

Der Vorwurf, der über dem ganzen Interview steht: Eine allgemeine Genderdebatte wird nicht geführt, stattdessen hilft die Politik mit, die «schrillen» Forderungen der LGBTIQ-Community bei der Umgestaltung der Gesellschaft zu einer Meinungsdiktatur zu fördern. Das populistische Schema ist dabei immer gleich – ob es nun um die «Impfpflicht» oder die «Klimahysterie» geht: Absurde Sachen aufzählen und darauf vertrauen, dass die Leute das merkwürdig bis absurd bis gefährlich finden und dann die Freiheitskarte spielen – um letztlich den Staat (die mehrfach genannte Politik) dafür verantwortlich zu machen.

Dabei wird davon ausgegangen, dass sowohl Moral und Diskriminierung zur persönlichen Meinungsäusserung gehöre – und auch der Staat nicht vorgeben dürfe, was moralisch oder diskriminierend sei. Daher werden Anti-Diskriminierungsgesetze auch als Einschränkung der Meinungsfreiheit – ja sogar als eine «Bevorzugung einer Minderheit» – betrachtet. Oder die Geschlechterdiversität wird als «das Wahnhafte des Zeitgeistes» bezeichnet – ohne allerdings zu erwähnen, dass die Geschlechterdiversität die Naturwissenschaft schon lange bestätigt hat. Und auch die Behauptung, dass Kinder durch die Ideologie der Eltern und Lehrpersonen trans gemacht würden, ist völlig irrational.

Im Interview mit Monika Hausammann steckt nicht viel mehr dahinter als grosse Aufregung, falsche Fakten und nebulöse Angstmacherei. Ist das die geforderte Genderdebatte?

Der abgesagte «Gender-Tag» in Stäfa ZH

Dass dieser Artikel in der Jungfrau Zeitung kein queerfeindlicher Einzelfall ist, zeigt der eigentlich für nächste Woche geplante «Gender-Tag» der Sekundarschule in Stäfa ZH. Die Schule führt den Tag bereits seit zehn Jahren durch. In diesem Jahr musste er wegen diverser Drohungen – in Absprache mit der Polizei – abgesagt werden, da es Hinweise gab, dass der Tag gestört werden könnte. Auch soll es zu Telefonterror und Drohungen gegen Leib und Leben gekommen sein. Dabei hatte die Schulbehörde mit dem «Gender-Tag» einzig das ehrenvolle Ziel, die Jugendlichen zu ermutigen, eigene Normen und Werte zu reflektieren und offen über Geschlechtsidentität und Sexualität zu diskutieren. Und das ist doch eigentlich gut so!

Auslöser für den Shitstorm in den sozialen Medien war etwa Nationalrat Andreas Glarner (SVP), der die Entlassung der gesamten Schulleitung forderte und gleichzeitig die Einladung an die Jugendlichen veröffentlichte – ohne die Namen der Lehrpersonen und Telefonnummern zu schwärzen.

Wie reagieren wir nun auf all diese Abscheulichkeiten gegen queere Menschen? Sicher dürfen wir nicht in Schockstarre verfallen, denn wir dürfen nicht vergessen, dass wir untereinander perfekt organisiert sind und Parteien haben, die sich für unsere Anliegen einsetzen. Zusammen sind wir sowieso stark!

Diskussion

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.