Mein Wort zum Sonntag: Ergebnisse der neusten Umfrage des LGBTIQ+ Panels

Die «Ehe für alle», der Zugang zur gemeinschaftlichen Adoption und künstlicher Befruchtung, die Erleichterung der Änderung des Geschlechtseintrags in offiziellen Dokumenten – in diesem Jahr wurden für LGBTIQ-Personen bei uns in der Schweiz wichtige gesetzliche Änderungen umgesetzt. Wie wirken sich diese Entwicklungen auf queere Personen aus?

Genau dieser Fragestellung geht das LGBTIQ+ Panel mit jährlichen Umfragen nach. Wie fühlen sich LGBTIQ-Personen? Wo erfahren sie Unterstützung, wo Diskriminierung? Inwieweit fühlen sie sich in der Schule, der Uni und der Arbeit akzeptiert? Viele Fragen, auf die die Ergebnisse der 4. Umfrage des Schweizer LGBTIQ+ Panels dank der gesammelten Daten von über 3400 Personen Antworten geben. Die Resultate der Umfrage zeigen zudem auf, was aktivistische Personen innerhalb unserer Community noch zu tun haben.

Abstimmungskampf für die «Ehe für alle»

Angehörige der queeren Community gaben in der Umfrage des LGTIQ+ Panels an, dass sie sich an mehreren Aktionen zur Unterstützung des Abstimmungskampfes zur Abstimmung «Ehe für alle» beteiligt haben – beispielsweise haben sie ihre Umgebung ermuntert, mit Ja zu stimmen (87 Prozent der Teilnehmenden), Regenbogenfahnen angebracht (70 Prozent) oder Nachrichten in sozialen Medien gepostet (59 Prozent).

Dieses Engagement war allerdings mit persönlichen Kosten verbunden: Jede fünfte Person gab an, im Rahmen ihrer Teilnahme an der Ja-Kampagne beschimpft worden zu sein.

Zögerliches Coming-Out

Noch immer sind LGBTIQ-Personen mit mehreren Formen von Diskriminierung konfrontiert. Während sowohl Angehörige sexueller Minderheiten (z.B. schwule, lesbische und bisexuelle Personen) als auch geschlechtlicher Minderheiten (z.B. trans und intergeschlechtliche Personen) sehr häufig Witzen ausgesetzt sind und im öffentlichen Raum angestarrt werden, sind letztere viel stärker Diskriminierungen ausgesetzt. So berichteten 76 Prozent der teilnehmenden Angehörigen geschlechtlicher Minderheiten von struktureller Diskriminierung (Schwierigkeiten bei der Änderung des Namens und des Geschlechtseintrags, fehlender dritter Geschlechtseintrag).

Was das Coming-out betrifft, so ist es immer noch ein schwieriger und langwieriger Prozess.

Dieser Befund wird durch die Tatsache verdeutlicht, dass mehr als ein Viertel der teilnehmenden lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Personen sich innerhalb ihrer Familie nicht geoutet haben.

Ein langer Weg zur vollen Akzeptanz

Queere Personen haben in der Schule, Uni oder Arbeit weniger das Gefühl «sich selbst sein zu können» sowie «sich zugehörig zu fühlen». Das fehlende Gefühl der Zugehörigkeit ist Angehörigen geschlechtlicher Minderheiten besonders betont. Fast jede zweite trans oder intergeschlechtliche Person berichtet von Diskriminierung in der Schule, der Universität oder der Arbeit. Bei lesbischen, schwulen und bisexuellen Personen ist es jede fünfte Person. Dennoch wissen viele Personen nicht, wo sie im Falle von Diskriminierung Unterstützung bekommen könnten.

So gaben knapp die Hälfte der teilnehmenden queeren Schüler*innen und Studierenden an, dass sie keine Anlaufstelle kennen würden.

Was wünschen sich queere Personen für die Zukunft?

Trotz jüngster gesetzlicher Verbesserungen ist klar: lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Personen sind in der Schweiz weiterhin mit Ungleichheiten konfrontiert, erfahren Diskriminierung und fühlen sich nicht voll akzeptiert.

Daher ist es wichtig, nicht nur Diskriminierung zu reduzieren, sondern die Akzeptanz von queeren Personen zu erhöhen und über queere Themen aufzuklären.

Angehörige geschlechtlicher Minderheiten fordern darüber hinaus weitere Optionen beim Geschlechtseintrag, ein Schutz durch das Antidiskriminierungsgesetzt, der Zugang zu sicherer Gesundheitsversorgung, geschlechtsneutrale Infrastruktur und ein Recht auf körperliche Unversehrtheit von intergeschlechtlichen Kindern.

Das Schweizer LGBTIQ+ Panel ist eine Längsschnittstudie, welche die Situation von LGBTIQ-Personen in der Schweiz untersucht. Es wurde 2019 von Dr. Léïla Eisner (Universität Zürich, Princeton University) und Dr. Tabea Hässler (Universität Zürich) ins Leben. Das Panel erweitert das Verständnis dafür, wie sich queeren Personen in die Gesellschaft integriert fühlen und wie sich ihre Situation im Laufe der Zeit verändert. Mitte Januar 2023 wird die 5. Umfrage gestartet.

⇢ Webseite des LGBTIQ+ Panels

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