Liebe Tabea
Vor zwei Jahren warst du Gast in meinem Podcast «Der queere Alltag». Diesen Beitrag hatte ich mit einem Foto illustriert, das dich mit Mütze und blondierten Haare zeigt. Vor kurzem nun hat auf Twitter ein Troll auf das Bild – nicht auf den Inhalt des Podcast – reagiert und mit dem Hashtag «KulturelleAneignung» geschrieben: «Ich hoffe, sie wurde auf die gefärbten Haare angesprochen, Rastas dürfte sie tragen aber blond …». Diese Bemerkung ist etwa so dumm, wie wenn man dir dein wunderbar breites Berndeutsch als kulturelle Aneignung vorwerfen würde. Die Bemerkung zeigt allerdings auch erschreckend deutlich, wie du immer und immer wieder mit Rassismus konfrontiert sein musst.
Nach sechs Jahren bist du nun aus dem Berner Stadtrat zurückgetreten. Als Rücktrittsgrund gibst du auch gesundheitliche Gründe an. Und ein paar Tage vor deinem Rücktritt hast du auf Facebook geschrieben: «Als Woman of Color in der Öffentlichkeit zu stehen bedeutet leider auch, Hass und Hetze zu erleben». Du hast mit deiner Arbeit im Stadtrat deinen Safe Space, deine Bubble und Community verlassen. Und mit deinem politischen – und somit öffentlichen – Engagement hast du das Privileg verloren, einfach «wegzuhören». Das braucht Kraft – aber irgendwann ist «auch mal fertig»!
Vom Privileg «weghören» hast du auch in deiner Abschiedsrede im Stadtrat gesprochen: «Den Raum zu verlassen, wenn diskriminierende Aussagen gemacht werden, finde ich keine gute Lösung, denn nicht alle haben das Privileg einfach wegzuhören. Viel mehr wäre es die Aufgabe aller Ratsmitglieder diskriminierende Voten nicht zu ignorieren und sie somit stillschweigend zu tolerieren. Solidarität bedeutet für mich in diesen Momenten im Raum zu verbleiben und sich klar gegen diese Aussagen zu positionieren.» Deine anschliessende Forderung, in Zukunft diskriminierendes Verhalten zu unterbinden, ist deutlich – was notabene auch ausserhalb eines Parlamentssaals gelten sollte. «Es muss selbstverständlich sein, dass wir uns gemeinsam gegen jegliche diskriminierenden Positionen auflehnen», sagtest du als Schlusswort. Warum dies noch nicht selbstverständlich ist?
Danke, liebe Tabea, dass du dich im Stadtrat für eine solidarische Stadt eingesetzt hast. Und ich bin mir sicher, dass du dich weiterhin für eine antirassistische und queerfeministische Gesellschaft engagierst. Du bist dabei nicht allein!