Wie können die Bedürfnisse und Erwartungen von LGBTIQ-Menschen an eine Alterspflegeeinrichtung erkannt und berücksichtigt werden? Mit dieser Frage befasst sich die Projektarbeit «LGBTIQ-friendly Alterszentren der Stadt Zürich» von Beat Füglistaller und wurde vom Netzwerk für Lebensqualität im Alter «Gerontologie CH» thematisiert.
Der Blick auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte offenbare eine erste Erkenntnis in Bezug auf die Zielgruppe LGBTIQ: «1942 wurde Homosexualität im neuen StGB zwar entkriminalisiert, die starke Ablehnung nicht heteronormativer Menschen blieb in der Gesellschaft jedoch erhalten. Diese konservative Haltung widerspiegelte sich z. B. in Repressionen (Schwulenregister, Razzien etc.), sowie der negativen öffentlichen Berichterstattung, die vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren an der Tagesordnung war». Häufig hätten Schwule und Lesben ihre sexuelle Orientierung, um im beruflichen und sozialen Umfeld nicht geächtet zu werden oder sogar ihre Arbeit zu verlieren, verheimlicht. Erst Mitte der 1960er-Jahre sei – mit den «Stonewall»-Krawallen in New York – das Selbstbewusstsein erwacht, die schlussendlich zu gesetzlichen und gesellschaftlichen Verbesserungen geführt haben. «Betrachtet man diese Entwicklung, so wird deutlich, wie jung eine liberale Haltung von Politik und Gesellschaft noch ist. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für die Schwierigkeiten, unter denen die heute hochaltrigen LGBTIQ-Menschen aufgewachsen sind und den Grossteil ihres Erwachsenenlebens verbracht haben.»
Bestandsaufnahme: Es braucht Sensibilisierung
Heute brauche es eine Sensibilisierung gegenüber ältere LGBTIQ-Menschen. Die Schaffung exklusiver Lebensräume für ältere LGBTIQ-Menschen sei dabei ein wichtiger Schritt. «Aber auch die bestehenden Altersinstitutionen müssen sich verstärkt mit der Frage nach der Pflege von LGBTIQ-Menschen auseinandersetzen.» Allerdings möchten nicht alle Betroffenen möchten in eine Institution ziehen, die das Thema LGBTIQ exklusiv auf dem Banner trage: «Für einige Betroffene würde das bedeuten, sich erstmals zu ihrer sexuellen Orientierung äussern ‹zu müssen›». Trotzdem bestehe das Bedürfnis, in einer Institution leben zu können, die ihre Sexualität akzeptiert.
«Wie eine Studie der Ostschweizer Fachhochschule im Auftrag der Fachgruppe Alter von Pink Cross zeigt, sind die Institutionen nur ungenügend auf diese spezielle Betreuung vorbereitet. Das Thema LGBTIQ kommt in der Ausbildung von Pflegepersonal und anderen Mitarbeitenden nur am Rande vor. In den Leitlinien der Betriebe finden sich selten konkrete Aussagen zum Thema, und in der operativen Führung sind die LGBTIQ-Interessengruppen, die als Kompetenzpartner zur Verfügung stehen könnten, wenig bekannt.»
Von Biografiearbeit bis zu einem gemeinsamen Verhaltenskodex
Das Datenmaterial lasse den Schluss zu, dass Pflegeeinrichtungen weiter für das Thema LGBTIQ sensibilisiert werden müssten. Basierend auf den drei Säulen Leitlinien, Verhaltenskodex und Schulungen könnten die Grundlagen für eine gelebte Willkommenskultur geschaffen werden.
«Die zentralen Punkte der Leitlinien lauten: Verbesserung der Zusammenarbeit von Institutionen und Interessensverbänden, Aufbau einer gezielten Aufarbeitung einzelner Biografien mit den Bewohnenden und Sensibilisierungsschulungen für die Mitarbeitenden. Bei der beruflichen Ausbildung müssen vor allem im Bereich der Pflegeausbildung LGBTIQ-Themen stärker gewichtet werden. Und in den Betrieben sollten die Mitarbeitenden sensibilisiert werden und über ein grundlegendes Wissen zu LGBTIQ-Themen verfügen. Der Verhaltenskodex richtet sich an die Bewohnenden und Mitarbeitenden; er beinhaltet Verhaltensregeln und Vorgaben, wie das Zusammenleben und allfällige Konfliktsituationen geregelt werden.»
> Die Projektarbeit «LGTBIQ-friendly Alterszentren der Stadt Zürich» kann hier heruntergeladen werden