Nach der klaren Mehrheit für die «Ehe für alle» im Nationalrat im Juni dieses Jahres wurde die Vorlage heute Vormittag nun auch vom Ständerat mit 22 zu 15 Stimmen und sieben Enthaltungen befürwortet. Eine Änderung der Verfassung ist somit vom Tisch. Frauenpaare sollen den Zugang zur Fortpflanzungsmedizin in der Schweiz erhalten. Aber …
Die gemeinsame Elternschaft ab Geburt soll nur bei Inanspruchnahme von Schweizer Samenbanken gelten. Auch fehlt eine Regelung für die private Samenspende. Damit entfällt die rechtliche Absicherung zahlreicher Regenbogenfamilien – ein Aspekt, der in der Hetero-Ehe nie ein Thema war – auch in heterosexuellen Konkubinaten nicht, dank der Möglichkeit der Vaterschaftsanerkennung.
Damit generiere der Ständerat eine erneute Ungleichheit, sagt Muriel Waeger, Co-Geschäftsleiterin der Lesbenorganisation Schweiz: «Wir fordern, dass gleichgeschlechtliche Paare genau die gleichen Rechte haben wie heterosexuelle Paare. Nicht mehr und nicht weniger.»
Die Lesbenorganisation verlangt deshalb klar eine Gesetzgebung, die den Lebensrealitäten lesbischer Lebensweisen gerecht wird. Die vom Ständerat verabschiedete Lösung verfehle dieses Ziel deutlich.
Der Ständerat politisiert an der Realität vorbei
Auch die SP Frauen* begrüssen zwar, dass die «Ehe für alle» auf Gesetzesebene geregelt werden soll und damit zügig in Kraft treten kann. Gleichzeitig kritisieren sie aber ebenfalls den realitätsfremden Beschluss, den Zugang zur Samenspende auf schweizerische Samenbanken zu beschränken und die private Samenspende gänzlich auszuklammern.
Tamara Funiciello, Berner Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP Frauen*, betont, dass sich die Gesellschaft weiterentwickelt, der Ständerat aber deutlich neben der Realität vorbei politisiere: «Wenn nochmals jemand sagt, Repräsentation spiele keine Rolle, werde ich auf das Beispiel der Ehe verweisen. Offensichtlich ist sich der Ständerat nicht bewusst, wie Kinder von lesbischen Paaren heute gezeugt werden: Dies passiert nicht zuletzt durch einen privaten Samenspender. Der Vorteil einer solchen Samenspende ist, dass der leibliche Vater eine Rolle im Leben seines Kindes spielen kann, was bei einer medizinischen Samenspende nicht der Fall ist. Zudem ist eine medizinische Samenspende teuer und deshalb vor allem für gutbetuchte Paare eine Option, nicht aber für ärmere. Das kann nicht sein!»
Das heute vom Ständerat verabschiedete Gesetz führt nicht nur zu neuen Ungleichheiten, sondern entspricht schlichtweg nicht der Realität von Frauenpaaren in diesem Land. Zahlreiche Frauenpaare kriegen Kinder durch private Samenspender oder im Ausland. Diese sind weiterhin nicht geschützt.
Das Komitee «Ehe für alle» fordert nun das Parlament auf, die Differenzbereinigung noch in dieser Session vorzunehmen. Es ist Zeit, dass wir LGBT-Menschen Gleichberechtigung und Anerkennung erfahren. In der Mitte der Gesellschaft sind wir angekommen. Nun muss auch das Parlament dies auch in Gesetz verankern.