«Damit sind sie rechtlich gedeckt»

Vor etwas über einer Woche sorgte der Papst für viele Schlagzeilen: «Papst für Schutz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften» schrieb der Walliser Bote; «Der Papst wagt eine leichte Kurskorrektur» schrieb die Neue Zürcher Zeitung.

Es geschah also zu jener Zeit – oder genauer am Mittwoch, 21. Oktober 2020 – als in Rom erstmals das Filmportrait «Francesco» über Papst Franziskus gezeigt wurde. Der Film sorgte dabei vor allem wegen ein paar wenigen Sätze für viel Aufregung. Franziskus sagte: «Homosexuelle haben ein Recht, Teil der Familie zu sein. Sie sind Gottes Kinder und haben ein Recht auf Familie. Niemand sollte sie verstossen oder sie deswegen in Elend stürzen.» Und weiter: «Was wir jetzt schaffen müssen, ist ein Gesetz über Zivilpartnerschaft. Damit sind sie rechtlich gedeckt.»

Klar, dass diese paar Sätze persönliche Bemerkungen waren. Die römisch-katholische Glaubenslehre bleibt unverrückt, die von ihr anerkannte Ehe bleibt ausschliesslich einer Frau und einem Mann vorbehalten. So waren dann auch die Kommentare sehr unterschiedlich und reichten von begeisterter Zustimmung über reserviertes Abwägen bis zur Ablehnung.

Der Berner «Bund» wurde in einem Kommentar deutlich: Die Aussage sei «nur gut fürs päpstliche Image»; er fordere ein ziviles Gesetz für die «Homo-Ehe», doch die Kirche nehme er «damit gerade nicht in die Pflicht». Es sei typisch für Franziskus, innovative Ideen und Reformvorschläge immer nur im unverbindlichen Kontext von Medienkonferenzen, Gesprächen und Interviews zu äussern; er hüte sich, Gleiches im offiziellen lehramtlichen Kontext zu sagen. «Nie würde er etwa das Urteil des Weltkatechismus revidieren, wonach homosexuelle Neigungen gegen das Naturgesetz verstossen und deshalb keinesfalls zu billigen sind», schrieb der «Bund» weiter.

Gegenüber der «bz», der Zeitung für Basel, sagte der Theologe Bruno Fluder vom Verein Schwule Seelsorger: «Ich erwarte in dieser Hinsicht gar nichts von ihm». Etwa, dass er bald Segnungen für homosexuelle Paar zulässt. Oder dass er die katholische Lehre umschreibt. Der Katechismus hält fest, homosexuelle Handlungen sind widernatürlich, Homosexuelle seien zur Keuschheit gerufen. Dabei arbeiten in der Realität überproportional viele Schwule in der Seelsorge; gemäss Schätzungen sind es über 40 Prozent. «Viele leiden unter dieser Situation. Wenn sie offen zu ihrer sexuellen Orientierung stehen, riskieren sie ihren Job». Bruno Fluders Fazit: «Wer schwul oder lesbisch ist, erwartet in der Regel nichts von der katholischen Kirche».

Marian Eleganti ist hochoffiziell Weihbischof von Chur und ist sich sicher, dass die päpstlichen Interviews «inflationär» geworden sind. Das Wort «inflationär» stammt vom lateinischen Wort «inflare» ab und bedeutet «aufgeschwollen» oder «aufgeblasen». Gegenüber dem Portal kath.net und vom «Bote der Urschweiz» zitiert, sagte der Weihbischof: «Statt den Glauben der Kirche zu lehren, nämlich das, was überall, immer und von allen geglaubt wurde und zu glauben ist, geben sie uns persönliche Ansichten, die weder unumstritten noch unfehlbar sind». Die Kirche könne nicht zu «zivilrechtlich sanktionierten Lebensformen ermutigen, die ihrem eigenen Katechismus widersprechen.»

Redaktorin Patricia Broder schrieb im «SonntagsBlick», dass die Aussage des Papstes «revolutionär» sei: «Wenn der Papst persönlich schützend seine Hand über gleichgeschlechtliche Liebe hält, setzt das nicht nur ein Zeichen für alle anderen Weltreligionen, es hilft auch den Betroffenen». Franziskus’ Worte hätten die Kraft, homophobe Gläubige von ihren Vorurteilen zu befreien, Homosexuellen Mut zu machen und anstatt Hass Liebe zu säen – was dem ursprünglichen Sinn der Kirche entspreche.

Die Berichterstattung rund um die Aussagen des Papstes zur Homosexualität veranlasste Peter Fuchs der «Solothurner Zeitung» einen Leserbrief zu schreiben. «Danke Franziskus, dass auch ich ein Kind Gottes bin», schrieb Peter Fuchs (ich kenne ihn persönlich) mit ironischem Unterton. Es sei löblich, dass der Papst zivilrechtlichen Schutz fordert. «Das ist nicht revolutionär, sondern Nachvollzug bestehenden Rechtes nach fast 20 Jahren». Das katholische Spanien kenne die «Ehe für alle» seit 2005, mit dem Resultat, dass sich die gesellschaftliche Situation und Akzeptanz massiv verbessert hat.

Papst Franziskus hat seine Aussagen zur Zivilehe für gleichgeschlechtliche Paare als Privatperson gemacht. Das dürfe er; eine Einmischung der Kirche – und da bin ich mit Peter Fuchs einig – in den Staat sei aber bedenklich. «Selber nichts machen, aber dem Staat Vorgaben und Verbote machen?», fragte Peter Fuchs in seinem Leserbrief. Stimmt, meine ich. Solange meine Lebensform von der römisch-katholischen Kirche «widernatürlich» eingestuft wird, sowieso nicht. «Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!» Oder so ähnlich …