Hast du die Überschrift vor zwei Tagen in der Berner Zeitung auch gelesen? «Berner Spitälern drohen die Blutkonserven auszugehen». Wegen der Corona-Pandemie sind die Spenden um einen Drittel eingebrochen. Ein Engpass zeichne sich nun deshalb ab. Nicht gut, denke ich – aber mein Blut wollen sie ja nicht!
Früher trat ich gerne freiwillig zum Aderlass an. Weil ich es wichtig fand! Das war vor 30 Jahren. Und dann hatte ich mein Coming-out. Da ich die Frage, ob ich seit 1977 Sex mit Männern gehabt habe, nicht mehr klar NEIN beantworten wollte, verzichtete ich halt auf die Blutspende. Zwar hatte ich schon vor meinem Coming-out Sex mit Männern. Das galt aber irgendwie nicht als «so richtig». Ich war NICHT schwul. Nach dem Coming-out war ich SCHWUL – und da wollte ich mich endlich auch bei der Blutspende nicht mehr verleugnen.
Richtig, das ist unlogisch!
In der Zwischenzeit wurden die Blutspende-Regeln angepasst. Heute gilt: Männer, die sexuellen Kontakt mit Männern haben, sind in der Schweiz nur zur Blutspende zugelassen, wenn sie zwölf Monate sexuell abstinent leben. Begründet wird dies aufgrund einer angeblich erhöhten Gefahr einer HIV-Ansteckung.
Diese Regelung ist diskriminierend. Zur Beurteilung, wer Blut spenden darf, reicht die Frage nach dem Risikoverhalten, die Frage nach der sexuellen Orientierung ist unnötig.
Die Sache mit dem unerwünschten Blut von schwulen Männern ist schon alt. Vor fünf Jahren stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass sexuelle Beziehungen unter Männern nicht per se ein «riskantes» Sexualverhalten sind. Und ebenfalls vor fünf Jahren forderte Nationalrätin Rosmarie Quadranti mit der Motion: «Blutspende. Aufhebung der veralteten und diskriminierenden Beschränkungen». Obschon der Nationalrat der Motion zustimmte, brachte der Ständerat im November 2017 diese zu Fall. In der damaligen Debatte bat Ständerat Claude Janiak darum, die Motion doch anzunehmen, da «bei denjenigen, die Blut spenden, die Blutentnahmen in jedem Fall getestet werden». Und diese Verfahren garantieren, dass man gefährliche Situationen ausschliessen könne.
Pink Cross fordert seit Jahren die Aufhebung des Verbots von Blutspenden von Schwulen und eine Beurteilung aufgrund des Risikoverhaltens und nicht aufgrund der sexuellen Orientierung.
Fast unbemerkt ist bei mir in diesen Zeiten des Coronavirus eine Medienmitteilung aus Deutschland von der SPDqueer in meinem Postfach gelandet. Titel: «Der De-Facto-Ausschluss von homo- und bisexuellen Personen bei der Blutspende muss beendet werden». In Deutschland gilt die gleiche «Zwölf-Monate-Regel» wie in der Schweiz. In der Medienmitteilung fordert die SPDqueer «die Bundesärztekammer und alle Verantwortungsträger dazu auf, den De-Facto-Ausschluss von homo- und bisexuellen Personen bei der Blutspende zu beenden». Risikopersonen müssten an ihrem individuellen Verhalten und nicht an ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität identifiziert werden.
Zudem stellt die SPDqueer unmissverständlich fest, dass sich queere Menschen häufiger auf sexuell übertragbare Erkrankungen testen lassen und im Vergleich zur Mehrheit der Bevölkerung besser über «Safer Sex» informiert sind. Diese Feststellung lässt sich – davon bin ich überzeugt – sicher auch auf die Schweiz übertragen.
Jetzt wäre ein guter und der richtige Zeitpunkt, die Diskriminierung gegenüber uns schwulen Männern blitzartig aufzuheben. Auch schwules Blut kann Leben retten!