Ich bin Hans. Und gestern fiel ich aus allen Wolken! Kurz nach 12 klingelte gestern Mittag mein Handy und dran war Tim, der Enkel meines Ex-Freundes Peter. Ob ich am Abend schon etwas geplant hätte – er und sein Freund Florian würden mich drum gerne zum Essen einladen. Und ob ich so gegen 18 Uhr bei ihnen sein könnte?
Obschon die Einladung unerwartet kam, sagte ich sofort zu. Kaum hatte ich aufgelegt, kam ich allerdings ins Grübeln. Was die Beiden wohl von mir wollen? Immerhin sind Tim und Florian erst 20 und ich schon 70. Ob sie Geld brauchen? Und noch während ich nach den Gründen dieser Einladung suchte, beschloss ich, doch noch rasch einen Blumenstrauss als Mitbringsel zu besorgen. Schön bunt, dachte ich mir, sollten die Blumen sein.
Punkt 18 Uhr klingelte ich an der Wohnungstür. Tim und Florian öffneten sofort und baten mich herzlich in die Wohnung. Umarmung – so wie das die jungen Leute heute machen. Es roch bereits nach Essen – nach Curry. Ich überreichte die Blumen, die Florian sofort in eine Vase stellte und auf den bereits gedeckten Tisch stellte. Offenbar mag er Blumen, rühmte er doch die Farbenpracht.
Kleine Apéro-Häppchen standen bereits auf dem Tischchen bei der gemütlichen Sitzecke bereit. Tim schenkte Prosecco ein und wir prosteten einander zu. «Wie geht es dir?» «Danke ganz gut, war zwar krank, die Grippe ist aber überstanden. Und wie geht es euch?» «Sehr gut! Unsere Wohnung ist nun fast fertig eingerichtet.» «Schön habt ihr es. So Altbauwohnungen sind schon sehr gemütlich.»
Smalltalk.
Ich wurde an den gedeckten Esstisch gebeten und Tim servierte ein Fischcurry mit Basmatireis. Dazu tranken wir ein Bier. Das Curry schmeckte wunderbar. Ich lobte die Kochkünste und erkundigte mich nach dem Rezept. Ich fühlte mich pudelwohl.
Smalltalk über Mietzinse, über geplante Ferien, über Ausbildung und Job.
Die beiden sprudelten nur so mit Erzählungen. Sprachen über das heiraten und darüber, dass doch das Parlament endlich mit der Öffnung der Zivilehe vorwärts machen sollte. Ich hörte aufmerksam zu und nickte jeweils zustimmend. Florian räumte das Geschirr in die Küche. Ich wollte Tim über seinen Grossvater – eben über meinen Ex – ausfragen. Ich liess es bleiben. Florian brachte das Dessert. Es gab Tiramisu.
Smalltalk über den Coronavirus und meine Pollenallergie.
Nach einem starken Espresso verabschiedete ich mich. Es war schon kurz vor Mitternacht. Die Zeit verging wie im Fluge. Es war ein wunderbarer Abend.
Zuhause angekommen legte ich mich ins Bett. Mein letzter Gedanke bevor ich einschlief: Warum haben die Jungs mich zum Essen eingeladen?
Jetzt ist es Sonntagvormittag und ich habe auf meine Frage noch immer keine Antwort erhalten. Es braucht wohl darauf auch keine. Tim und Florian haben mich einfach so eingeladen. Und das tat mir gut! Ich beschliesse, möglichst rasch eine Gegeneinladung zu machen. Aber nicht schon in einer Woche – das wäre zu aufdringlich!
Euer Hans H.
Lieber Hans
Spontan eingeladen zu werden ist immer ein Highlight, auch für mich. Auch sonst, sich auf einen gemütlichen Anlass, auf gute Gespräche etc. zu freuen bereichert mein Leben.
Aber wenn man sich fragt, wieso laden die mich ein? Wollen die Geld? Ist schon komplett schweizerisch, und auch neurotisch. Ist auch schweizerisch dass man niemanden anspricht, sich im Restaurant alleine an einen Tisch setzt, im Zug möglichst alleine sitzen will. Alles andere wäre ja aufdringlich.
Im nahen und weiteren Ausland kann man Leute an der Theke ansprechen. Small talk; ist ja keine Anmache sondern soziales Verhalten.
Ich wünsche mir mehr soziales Verhalten. Auch für Schweizer Uhreinwohner.
Einen LG Peter