Auf meet-my-life.net lässt sich seine Lebensgeschichte aufschreiben – egal, ob du bereits 90 Jahre alt bist oder erst 30. Und auf dieser Plattform hat Rudolf Schüpbach seine «Geschichte eines mühsamen Coming-out als schwuler Mann» veröffentlicht. Für seine Geschichte mit dem Titel «Schmetterlinge flattern fort… und fort…» hat der 73-jährige Zürcher nun den Schweizer Autobiographie-Award 2020 gewonnen. Herzliche Gratulation!
Ausgezeichnet wurde Ruedi Schüpbach am 3. Februar während eines feierlichen Anlasses in Zürich. Für den ersten Preis auserwählt wurde von der Jury die Autobiografie von Blazenka Kostolna. Drei weitere Auszeichnungen gingen ex-aequo an Rahel Rolli, posthum an Bruno Zahnd und eben an Rudolf Schüpbach. Alle vier ausgezeichneten Biografien sind auf meet-my-life.net zu lesen.
In ihrer Laudatio erläuterte Prof. Dr. Christine Lötscher, dass eine herausragende Lebensgeschichte «auf eine sprachlich eigensinnige und gleichzeitig mutige Art und Weise die Vergangenheit des Autobiografen/der Autobiografin als Text in all ihrer Fülle wieder lebendig zu machen vermöge». Dabei sei keineswegs literarische Perfektion gefragt, sondern die «subjektive Sicht des Autobiografen/der Autobiografin auf das, was er oder sie einst war oder glaubt, gewesen zu sein».
Zur Biografie «Schmetterlinge flattern fort… und fort…» sagte die Laudatorin: «Rudolf Schüpbach erzählt die lange und schwierige Geschichte seines Coming-out als schwuler Mann, die zum Glück eine gute Wendung hin zu einem freien und selbstbestimmten Leben nahm; er berichtet von inneren Kämpfen und schmerzlichen Versuchen, ‹normal› zu sein, als Ehemann und Familienvater». Dabei sind die Versuche so weit gegangen, dass er versuchte, sich die homosexuelle Sehnsucht wegtherapieren zu lassen. «Die Jury war beeindruckt von diesen mutigen und in starken Szenen verdichteten Aufzeichnungen, die das Gefühl, anders zu sein, bis in die allerfrüheste Kindheit zurückverfolgen. Dieses Gefühl äusserte sich nicht nur in der Faszination für Männer, sondern in einer radikalen Einsamkeit und einer diffusen Todesangst.»
Die Autobiografie von Rudolf Schüpbach sei «radikal ehrlich» und blicke mit «geschärftem Blick» auf eine Gesellschaft der 50er- und 60er-Jahre die keinen Raum für nicht-heterosexuelles Fühlen zuliess, Christine Lötscher weiter in der Laudatio.
Brutal direkt
Ich habe irgendwann in der letzten Nacht Ruedis Lebensgeschichte durchgelesen – und war einerseits fasziniert und sehr berührt, aber auch erschrocken über die Erzählung. «Radikal ehrlich» ist die Geschichte tatsächlich und die Sprache sehr bildhaft. Und brutal direkt – brutal vielleicht auch deshalb, weil es auch meine Geschichte sein könnte, wenn ich 20 Jahre früher auf die Welt gekommen wäre.
Und auch wenn ich rund 20 Jahre jünger bin als Ruedi, habe ich gewisse Dinge ähnlich erlebt – wie wohl die meisten Schwulen im Alter 60 und aufwärts. Etwa beim ersten Besuch auf einer Klappe …
«Von irgendwoher wusste ich, dass sich Schwule auf Bahnhofstoiletten treffen. So fuhr ich eines Abends in die Stadt. … Jetzt musste es sein. … Ein älterer Mann lockte mich in eine Toilette. Wir packten aus und begannen gegenseitig zu onanieren. War das ein gutes Gefühl, endlich den steifen Schwanz eines Mannes in der Hand zu halten und zu spüren. …»
> «Schmetterlinge flattern fort… und fort…» von Rudolf Schüpbach