Gewalt!

Ich bin Hans. Mein Freund Peter schläft noch, ich sitze schon vor dem Computer, da ich letzte Nacht schlecht und sehr unruhig geschlafen habe. Ob es am Vollmond lag oder am gestrigen Besuch? Gestern Abend kam nämlich Peters Enkel Tim zu Besuch – und der war ganz aufgewühlt.

Tim war gestern mit seinem Freund Florian in Zürich an einem Kiss-in. Mehrere 100 Menschen hätten sich da auf der Rathausbrücke versammelt. Er habe noch nie so viele fröhliche und noch nie so viele Regenbogenfahnen gesehen. Mit dieser Aktion hätten die Versammelten auf die kommende Abstimmung vom 9. Februar zur Erweiterung der Anti-Rassismus-Strafnorm aufmerksam machen wollen. 

Die Stimmung sei aber in Zürich auch kämpferisch gewesen, erzählt Tim weiter. So habe einer der Männer in einer Ansprache gesagt, dass ihn die vermehrten Angriffe auf Schwule auch wütend mache, noch wütiger mache ihn allerdings, wenn Politik und Gesellschaft einfach wegschauen.

Ich habe das Bild von diesem Jungen mit der blutigen Nase und der blutigen Lippe noch immer im Kopf, wie es kurz nach Silvester «20 Minuten» veröffentlicht hat. Und schockiert haben mich auch die Aussagen von jungen Menschen, die behaupten, Homosexualität sei eine Krankheit, die mit Schlägen geheilt werden könne.

Offenbar ist es wieder in Mode, Schwule zu klopfen. In der Schweiz gebe es zwar keine offiziellen Zahlen, da die Polizei Übergriffe auf Schwule nicht explizit als solche erfasse. Es gebe daher keine entsprechende Statistik erklärt uns Tim. Und was in der ordentlichen Schweiz nicht statistisch erfasst werde, gebe es nicht!

Diese schreckliche «Modeerscheinung» bekräftigt auch eine Nachricht, die ich letzte Woche irgendwo gelesen habe. In London nehmen Hassverbrechen gegenüber LGBTI stark zu – im letzten Jahr um 22 Prozent. Es seien jetzt pro Woche 50 homo- und transphobe Übergriffe! Und Aktivist*innen in London gehen zudem von einer grossen Dunkelziffer aus – sie schätzen, dass 80 Prozent der Opfer die Taten nicht anzeigen. Und auch in Berlin werden immer mehr homo- und transphobe Übergriffe registriert. Auf der Website vom schwulen Anti-Gewalt-Projekt «Maneo» steht, dass diese Übergriffe in Berlin in den letzten zwei Jahren um ein Drittel zugenommen hätten. Sichtbarkeit bedeute oft Gefahr, lese ich da auch

Körperliche Gewalt ist schrecklich und schmerzt noch während Jahren innerlich weiter. Ich kenne das, wurde ich doch vor Jahren auf einer Klappe zusammengeschlagen. Das ist aber eine andere Geschichte. Noch fast schlimmer empfinde ich in der Zwischenzeit aber versteckte, subtile Gewalt. Auf der Website der SVP (das «S» steht für «schweizerisch» und nicht etwa für «sozial») lese ich: «Homo- und bisexuelle Menschen sind längst gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft». Wie bitte? Warum lässt ihr uns dann nicht längst auch heiraten, sondern unsere Partnerschaften nur «eintragen»? Die Rassismus-Strafnorm sei ein «Maulkorb-Gesetz». So habe in einer freien Gesellschaft beispielsweise ein Bischof das Recht zu sagen, Homosexualität sei nicht von Gott gewollt. Da meint die SVP sicher den Bischof Huonder, der vor ein paar Jahren von Pink Cross verklagt wurde (und verloren). Allerdings hatte damals dieser Bischof mehr oder weniger mit dem Zitieren der Bibel die Todesstrafe für Homosexuelle gefordert.

Ich hoffe am 9. Februar vom Stimmvolk auf ein deutliches JA. Nicht unbedingt für mich «alte Zwetschge», sondern für Tim und Florian. Die Beiden haben es verdient, händchenhaltend durch die Strassen spazieren zu können – wie das verliebte Teenager nun mal machen. Und ich kuschle mich nun zu Peter, der noch immer friedlich schläft.

Euer Hans H.

One Reply to “Gewalt!”

  1. Ja auch mich macht es traurig, dass auch in der Schweiz Menschenrechte in gewissen Kreisen immer noch mit Füssen getreten werden. Hätte Gott uns nicht gewollt, gäbe es uns nicht. Gott hat uns erschaffen weil er sich auch in uns erfahren will.

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