Die deutsche Bundesregierung hat kurz vor Weihnachten einen Gesetzesentwurf von Jens Spahn, dem Bundesminister für Gesundheit, durchgewunken. Das Teilverbot von «Konversionstherapien» soll in einem halben Jahr in Kraft treten. Und was passiert diesbezüglich in der Schweiz?
Mit dem Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen sollen in Deutschland Behandlungen an Personen unter 18 Jahren verboten und unter Strafe gestellt werden, welche auf die Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität gerichtet sind.
Ziel des neuen Gesetzes sei es, die Pseudo-Therapien «so weit wie möglich zu verbieten», erklärte Gesundheitsminister Spahn gegenüber den Medien: «Wo sie durchgeführt werden, entsteht oft schweres körperliches und seelisches Leid». Jens Spahn heiratete vor zwei Jahren – kurz vor Weihnachten – seinen Lebenspartner Daniel Funke.
Das Gesetz sieht allerdings nur ein Teilverbot von «Konversionstherapien» vor: Die Durchführung von Behandlungen an Volljährigen bleibt erlaubt, wenn eine informierte Einwilligung vorliegt. Das hält der Lesben- und Schwulenverband Deutschland LSVD für verfehlt. Der LSVD schreibt in einer Mitteilung: «Zumindest sollte in Anlehnung an die Sozialgesetzgebung eine Schutzaltersgrenze von 26 Jahren vorgesehen werden. Bei jungen Menschen in der Altersgruppe zwischen 18 und 26 Jahren ist vielfach ein vergleichbarer Schutzbedarf wie bei Minderjährigen gegeben, gerade auch was Coming-out-Verläufe und familiäre Abhängigkeiten angeht.» Der LSVD betont, dass die Sicherstellung des psychischen und physischen Wohlergehens von LGBTI-Menschen und der Schutz vor Schäden durch Konversionsbehandlungen Aufgabe des Staates sei. Daher fordert der LSVD, dass die Ausnahme der Strafbarkeit für diejenigen, welche als personensorgeberechtigte Personen handeln ersatzlos gestrichen wird.
Auch die SPDqueer zeigt sich «grundsätzlich» mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf zufrieden. Dennoch greife der Beschluss nicht weit genug, da er den «Schutz von Erwachsenen vor diesen gefährlichen Pseudotherapien» auslasse. Die Gesetzgebung müsse «generell» Konversionsbehandlung und das Werben dafür verbieten: «Denn auch Erwachsene können durch ihre Familien, Religionsgemeinschaften oder das soziale Umfeld unter massiven Druck geraten und so in ihrer psychischen Gesundheit massiv geschädigt werden», schreibt die SPDqueer in einer Medienmitteilung. Eine solche potenzielle Gefährdung, auch für Erwachsene, müsse der Gesetzesentwurf bedenken und regeln.
Empfohlene Lektüre für unsere Regierung in der Schweiz
Ich habe den Gesetzesentwurf aus Deutschland gelesen. Und das steht deutlich: «In Deutschland werden nach wie vor sogenannte Konversionstherapien angeboten und durchgeführt». Wir wissen, dass solche «Therapien» auch in der Schweiz durchgeführt werden. Doch der Bundesrat ist gemäss Antwort auf eine entsprechende Motion im Parlament der Meinung, dass ein Verbot solcher «Therapien» nicht möglich sei, da «keine bereichsspezifischen Gesetzgebungen wie z.B. das Psychologieberufegesetz, in die ein Verbot integriert werden könnte» …
Darum meine Empfehlung an unsere Politiker*innen: Bitte den Gesetzesentwurf aus Deutschland unbedingt lesen. Ich zitiere: «Ein wissenschaftlich valider Nachweis für die behauptete Wirkung derartiger ‹Therapien› im Sinne einer Änderung der sexuellen Orientierung existiert nicht. Wissenschaftlich nachgewiesen sind dagegen zum einen schädliche Effekte solcher ‘Therapien’ auf behandelte Personen, zum Beispiel Depressionen, Ängste und gesteigerte Suizidalität, zum anderen Stigmatisierungs- und Diskriminierungseffekte auf Dritte in Form von Minderheitenstress.»
Anbieter von sogenannten Konversionstherapien stellten deren fehlende Wirksamkeit und Schädlichkeit seit Jahren infrage. Ich zitiere nochmals aus dem Gesetzesentwurf: «Sie führen, meist aus religiösen oder weltanschaulichen Motiven, trotz fehlender medizinischer Indikation weiter Konversionsversuche an Personen durch. … Mit sogenannten Konversionstherapien wird in die sexuelle und geschlechtliche Entwicklung und Selbstbestimmung, in die körperliche Unversehrtheit sowie den Achtungsanspruch und die Ehre des Einzelnen eingegriffen.»
Trotz der Ablehnung des Bundesrates wird das Parlament noch über die im Juni 2016 eingereichte Motion «Verbot der ‹Heilung› homosexueller Jugendlicher» diskutieren müssen.