Ein «berühmter» Inserate-Boykott hat 1979 die Emil Frey AG Frey ausgelöst. Während 20 Jahren platzierte der Autoimporteur keine Inserate beim «Tages-Anzeiger», weil ihm die Redaktion zu ökologisch war. Verwaltungspräsident der Emil Frey AG ist Walter Frey, der bis 2001 für die SVP im Nationalrat sass und nach einer politischen Auszeit zwischen 2008 und 2018 einer der fünf Vizepräsidenten der SVP Schweiz war. Und der «Tagi» hatte wegen dem Boykott einen Moment lang den Ruf einer wirtschaftskritischen Zeitung.
Nun haben also im schwulen «Display» Schwule (und Lesben) ein Inserat veröffentlichen lassen, um nicht nur gegen die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm zu kämpfen, sondern auch den «linken Gesinnungsterror» zu stoppen. Die Wogen gehen hoch, offenbar sehr hoch!
Zur Erinnerung: 1985 entstand aus der HACH-Zeitschrift «anderschume» und dem Kontaktanzeiger «Kontiki» die Zeitschrift «anderschume/Kontiki», die von Anfang an am Kiosk zu kaufen war. Zum ersten Trägerverein gehörten übrigens HAB, HABS und HAZ, die die Finanzierung sicherten, indem sie eine vereinbarte Anzahl von Heften zu einem fixen Beitrag kauften. Später hiess das Heft nur noch «aK» und noch später «akut:magazin». «HA» steht übrigens für «Homosexuelle Arbeitsgruppen» und «CH» für Schweiz, «B» für Bern, «BS» für Basel und «Z» für Zürich. Vor etwas über zehn Jahren fusionierten «aK» und das Szene- und Kontaktmagazin «Kontakt» zum «Display Magazin».
Chefredaktor des «Display» ist Beat A. Stephan, dem das «Nein»-Inserat seit Tagen den Schlaf raubt: «Seit ich denken kann, engagiere ich mich für die Anliegen der Community, und so eine Meinungsäusserung andersdenkender Schwuler führt dann dazu, dass man von Leuten, die man seit Jahren pusht, beschimpft wird», schrieb er mir in einer persönlichen Message – die ich wichtig finde und deshalb an dieser Stelle einfach mal so zitiere.
Und heute nimmt die «SonntagsZeitung» die Geschichte um das Inserat auf – und macht öffentlich, dass die Aids-Hilfe Schweiz die Zusammenarbeit mit dem «Display Magazin» aufgekündigt hat. «Mit diesem SVP-Inserat habt ihr gegen all unsere Werte verstossen», zitiert die SonntagsZeitung den Geschäftsleiter der Aids-Hilfe Schweiz, Andreas Lehner.
Für das «Display Magazin» sei der verhängte Boykott massiv und «existenzbedrohend», wie Chefredaktor Beat A. Stephan der SonntagsZeitung sagt. Und die Truppe hinter dem «Nein»-Inserat sieht sich gestärkt: «Diese Massnahme ist … ein typisches Beispiel für linken Gesinnungsterror». Und auch SVP-Nationalrat Erich Hess darf sich in der SonntagsZeitung äussern und stellt für die kommende Session ein Budgetantrag in Aussicht: «Ich möchte, dass man den Betrag an die Aids-Hilfe Schweiz streicht!».
Unsere Community ist ein Spiegelbild der Gesellschaft
Ich persönlich finde es ja äusserst fragwürdig, dass sich bei der Frage um die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm um den Schutz der sexuelle Orientierung Schwule und Lesben im «Nein-Komitee» mit Menschen solidarisieren, die beispielsweise klar gegen eine Öffnung der Zivilehe für gleichgeschlechtliche Paare sind und «Familie» nur über «Mann und Frau» definieren. Kurz nach meinem Coming-out vor doch schon fast 30 Jahren musste ich rasch lernen: Unsere Community ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Grad so wie es schwule Lokführer und lesbische Lehrerinnen gibt, gibt es «uns» auch in den Parteien von links bis rechts … Bei den meisten Themen auf dem Weg zu gleichen Rechten sind diese LGBTIQ-Menschen innerhalb dieser Parteien auch gleicher Meinung und politisieren sachlich. Ausser ausgerechnet bei der Erweiterung der Rassismus-Strafnorm. Aber die Rassismus-Strafnorm war ja wiederum den Rechten schon immer ein Gräuel in ihrer populistischen Gesinnung …
Ja zum Schutz vor Hass am 9. Februar!
Damit es uns LGBTIQ-Menschen gut geht, brauchen wir eine diskriminierungsfreie Gesellschaft. Deshalb setze ich mich für ein deutliches JA am 9. Februar ein. Und ich unterstütze auch die Aussage der Aids-Hilfe Schweiz auf Facebook: «Effektive Aids-Bekämpfung wurde erst möglich, als nicht mehr die Erkrankten bekämpft wurden mit Moral und Stigmatisierung, sondern die Krankheit bekämpft wurde mit Forschung und Wissen. Das gelang, weil die Community zusammenhielt.»
Halten wir also zusammen und kontern den Gegner*innen der Erweiterung der Rassismus-Strafnorm mit Argumenten statt mit Boykotten:
- Es gibt bisher kein ausreichendes Gesetz, um Hass-Aufrufen, Hetze oder Diskriminierung gegen Lesben, Schwule und Bisexuelle Einhalt zu gebieten. Das haben mehrere Gerichtsurteile gezeigt. Personen, die radikalem Gedankengut nahestehen, können ungehindert Hass verbreiten.
- Die Suizidrate unter homosexuellen Jugendlichen ist fünfmal höher als bei heterosexuellen Jugendlichen. Dies ist ein Zeichen dafür, was Worte des Hasses alles in der Gesellschaft anrichten können.
Und vom «Display Magazin», das im geschichtlichen Rückblick als Publikation der HA-Gruppen zu verstehen ist, erwarte ich in der nächsten Ausgabe schwerpunktmässig ein klares Statement zur Erweiterung der Rassismus-Strafnorm – wie bereits schon auf der Website passiert.