Gestern überschrieb ich einen Blogeintrag mit «Die Öffnung der Zivilehe auf die ‹lange Bank› geschoben» – hatte doch eben gestern der Nationalrat entschieden, dass das Parlament die Beratungen rund um die «Ehe für alle» um zwei Jahre verschiebt. «Das ist ein gutes Zeichen», notierte Anna Rosenwasser von der Lesbenorganisation Schweiz auf Facebook über diese Fristverlängerung …
Und in einer gemeinsamen Medienmitteilung schrieben gestern unsere Dachverbände: «Diese Verlängerung bestätigt die Bereitschaft des Parlaments, die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen und die Arbeit an diesem wichtigen Anliegen fortzusetzen». Gleichzeitig endete gestern auch die Vernehmlassung zum Gesetzesentwurf der Rechtskommission. «Die beiden Schlüsselmomente bringen uns der lang erwarteten Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtlichen Paare näher», gaben sich die Dachverbände in ihrer Medienmitteilung betont versöhnlich.
Eingereicht wurde die parlamentarische Initiative «Ehe für alle» 2013. Acht Jahre werden also vergangen sein, bis das Parlament wiederum über das Geschäft beraten wird. «BERATEN, abstimmen und in Kraft setzen kommt dann erst», schrieb die Berner Grossrätin Barbara Stucki auf Facebook verärgert. «Himmel nochmal! Ich würde gerne heiraten, bevor ich am Rollator gehe!!».
Die Vernehmlassung zur «Ehe für alle»
Bis gestern konnte sich also im Prozedere der sogenannten Vernehmlassung zur «Ehe für alle» äussern, wer sich dazu berufen fühlte. «Die ersten Reaktionen, insbesondere des Katholischen Frauenbunds und Pro Familia Schweiz, sind sehr ermutigend», sind sich unser Dachverbände sicher. Beide Organisationen sprechen sich klar für die Variante mit Zugang zur Samenspende für Frauenpaare und damit für eine tatsächliche Gleichstellung aus.
Im Gegensatz zu zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen haben sich allerdings vereinzelte Kantone, etwa St. Gallen oder Zug, nur für eine teilweise statt einer vollständigen Öffnung ausgesprochen.
Eine tatsächliche Gleichstellung wird jedoch nur erreicht, wenn gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe mit sämtlichen Rechten und Pflichten eingehen können, und zwar genau so, wie sie auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offen steht. Hierfür bedarf es der Umsetzung inklusive der vorgeschlagenen Variante mit dem Zugang zur Samenspende.
Auch die Politgruppe von hab queer bern hat sich an der Vernehmlassung beteiligt: «Wie begrüssen den Gesetzesvorentwurf, weil er keine weiteren Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Paaren mehr zulässt und entsprechend auch den Zugang zum Adoptionsverfahren gewährleistet». Angesichts des Gebots der Gleichbehandlung in der Bundesverfassung, «ist auch ein Ausschluss vom Zugang zur Samenspende für Frauenpaare nicht zu rechtfertigen, weshalb zwingend die Variante mit Zugang zur Samenspende für Frauenpaare umgesetzt werden muss».