Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich Gert-Christian Südel genau kennengelernt habe. Es wird wohl so 2012 gewesen. Sicher ist aber, dass mir seine Lebensgeschichte grossen Eindruck gemacht hat.
Am 12. August 2012 war Gert-Christian bei mir im GAYRADIO Gast. Entstanden ist an diesem Sonntagabend ein eindrückliches Tondokument mit Geschichten aus seinem Leben und seiner mitgebrachten Lieblingsmusik. Ein paar Monate später bewunderte ich seine unglaubliche Zuversicht während eines Besuchs an seinem Krankenbett im Spital – ein paar Tage später besiegte ihn aber seine Krankheit.
«Bereits während seiner Schulzeit war Gert-Christian engagiert darin, Menschen über Transsexualität aufzuklären und sich Verbündete zu suchen.»
Auf nach Casablanca?
Die Lebensgeschichte von Gert-Christian Südel wurde nun für die Broschüre «Auf nach Casablanca?» aufgearbeitet. In der Einleitung schreibt Niki Trauthwein unter dem Titel «Wege aus der Isolation» über die erste Begegnung mit Gert-Christian: «An diesem Tag im Frühjahr 2014 führten wir ein achteinhalbstündiges Video-Interview mit ihm. Was genau das bedeutet, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst …»
In «Auf nach Casablanca?» wird erstmals die Geschichte von trans Menschen in Deutschland zwischen 1945 und 1980 aufgearbeitet und von der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung in der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung veröffentlicht. Die Lebensrealitäten transgeschlechtlicher Menschen nach 1945 waren in beiden deutschen Staaten von Ausgrenzung, Diskriminierung, Pathologisierung und Rechtlosigkeit geprägt. Allein das Wissen, dass es in der nordafrikanischen Stadt Casablanca einen Arzt gab, der seit den 1950er Jahren geschlechtsangleichende Operationen durchführte, war für manche eine Hoffnung. Erst Ende der 1970er Jahre stellten die «Verfügung zur Geschlechtsumwandlungen von Transsexualisten» (DDR) und das «Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen», das sogenannte Transsexuellengesetz (BRD) einen Durchbruch zur rechtlichen Anerkennung dar.
Die 106-seitige Broschüre ist kostenfrei erhältlich und online abrufbar (Download).