Mit dem Slogan «Vielfalt ist Reichtum» war das Ziel der Pride in Bern hochgesteckt. Und dem OK der «Pride Ouest 2017» ist es gelungen, diese vielzitierte «Vielfalt» – oder eben «Diversity» – zu zelebrieren.
Meine Freude war gross, als ich die vielen Transparente mit verschiedensten Botschaften entdeckte: «Lederschwestern» wiesen auf die Verfolgung von LGBT-Menschen in Tschetschenien hin, die queere Befreiung wurde verlangt, die Vereinigung der «Abartigen aller Länder» gefordert, die Vulva* gepriesen und vor fliegenden Dildos gewarnt.
Mir quoll mein Herz über, als sich aus Seitengassen dazustossend immer mehr Menschen zum bunten Sternmarsch in Richtung Bundesplatz bewegten. «Stinknormale» Menschen wie du und ich, Drag Queens, die bereits erwähnten «Lederschwestern», Menschen mit Handicap … Die Symbolkraft der immer grösser werdenden Menschenmenge war ein eindrückliches Zeichen der Vielfalt. Nach verschiedenen Schätzungen waren es dann schlussendlich irgendwo zwischen 5’000 und 10’000 Menschen, die sich zur bunten Manifestation vor dem Bundeshaus versammelten – um den Reden von Simonetta Sommaruga und Reto Nause zu lauschen, zu applaudieren – aber auch um zu pfeifen.
Und auch diese Buhrufe und Pfiffe gehören zu unserer Vielfalt. Als Bundesrätin Sommaruga während ihrer Rede darauf hinwies, dass sogar das katholische Irland die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet habe und laut fragte: «Worauf warten wir eigentlich in der Schweiz noch?», ging mir durch den Kopf, dass es vielleicht gerade die Partei von Reto Nause mit ihrer antiquierten Familienpolitik sein könnte, die uns da warten lässt.
Reto Nause selber hob in seiner Ansprache hervor, dass die «moderne Schweiz» ohne LGBTI-Gemeinschaft «kraftloser und einiges ärmer, grauer» wäre. «Wer liebt, liebt jetzt», rief der Gemeinderat ins Mikrofon und bemühte die Schlagworte «Respekt», «Toleranz» und «Freiheit». «Nause rimmt tausende von Schwulen», frotzelte wenig später mir gegenüber ein SP-Politiker …
Wir werden also weiterhin der heteronormativen Gesellschaft, der heteronormativen Politik immer und immer wieder erklären müssen, dass es bei unserem Betteln nach «Gleichheit» eigentlich doch nur um die vielgepriesene Liebe geht.